Praxis Treichler

Herkunft und Entwicklung...

 

...des Familienstellens beziehungsweise des systemischen Aufstellens.

 

Ursprung in den USA – Virginia Satir

Virginia Satir, geboren 1916 in Neillsville USA, war eine der bedeutendsten Familientherapeutinnen und wird oft auch als „Mutter der Familientherapie“ bezeichnet. Sie engagierte sich kurz nach dem College-Abschluss als Lehrerin in der Eltern-Kind-Beratung und sammelte bei der Arbeit im Sozialdienst viel Erfahrung zum Thema Familienbeziehungen/-konstellationen. Berufsbegleitend absolvierte sie an der University of Chicago ein Nachdiplomstudium in sozialer Arbeit. Da dieser Studiengang psychoanalytisch ausgerichtet war, absolvierte sie auch eine Ausbildung in der Psychoanalyse, einschliesslich einer Lehranalyse. Im Jahr 1951 kam ihr im Rahmen der Arbeit mit einer schizophren erkrankten Patientin erstmals die Idee, anstatt Einzelpersonen ganze Familien zu therapieren. Später bemühte sie sich bei ihrer therapeutischen Arbeit regelmässig, den Mitgliedern einer Klienten-Familie im Rahmen der sogenannten Familienrekonstruktionen die generationsübergreifenden Muster und die Problematik innerhalb des gesamten Familiensystems bewusst zu machen. Sie entwickelte weiter die gruppentherapeutische Methode der Familienskulptur (siehe Erklärung im nächsten Abschnitt). 1959 wurde sie von Don D. Jackson und Jules Ruskin in das Gründungsteam des Mental Research Institute in Palo Alto bei Stanford (USA) berufen und wurde mit der Leitung der Ausbildungsabteilung des Instituts betraut. Unter ihrer Leitung entstand das erste familientherapeutische Ausbildungsprogramm der USA. Virginia Satir lehrte das Fach Familiendynamik am Illinois State Psychiatric Institute.

Ihr Verfahren betonte die Bedeutung der räumlichen Anordnung bei der Prozessarbeit bzw. bei der Herausarbeitung der Bedeutung der Position von Familienmitgliedern und führte das Auswählen von „Stellvertretern“ unter dem Begriff „Familienskulptur“ im Jahr 1969 in die Fachwelt ein. Diese Methode ermöglicht den Klienten, Familienbeziehungen nonverbal darzustellen und zu erkennen. Widersprüche oder Abweichungen zwischen dem, was körperlich gezeigt, und dem, was gesagt wird, können reflektiert werden. Da hinderliche Pflichtgefühle vergessen werden, kann auf diese Weise ein recht wirklichkeitsgetreues Abbild der Gefühlsbeziehungen innerhalb der Familie entstehen. Anhand der dargestellten Konstellation kann sich der Therapeut ein Bild vom sozialen Gefüge machen, in dem der Klient lebt und von dem er beeinflusst wird. Gleichzeitig ist es dem Klienten möglich, innerhalb dieses nun auch in äusserlich sichtbarer Weise dargestellten Beziehungsgeflechtes unmittelbar eine Reaktion auf sein Verhalten zu erfahren, die anschliessend auf der verbalen und emotionalen Ebene befragt werden kann.

Virginia Satirs Anliegen war es, Menschen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr "Grundpotential" nutzen können, um Wachstum und Frieden zu fördern. Virginia Satir drückte dies in den „Fünf Freiheiten“ aus, zu denen sie ihren Patienten verhelfen wollte:

     - Die Freiheit zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist,
           - anstatt das, was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird.

     - Die Freiheit, das auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke,
           - und nicht das, was von mir erwartet wird.

     - Die Freiheit, zu meinen Gefühlen zu stehen,
           - und nicht etwas anderes vorzutäuschen.

     - Die Freiheit, um das zu bitten, was ich brauche,
           - anstatt immer erst auf Erlaubnis zu warten.

     - Die Freiheit, in eigener Verantwortung Risiken einzugehen,
          - anstatt immer nur auf „Nummer sicher zu gehen“ und nichts Neues zu wagen.


Virginia Satir wurde ein Ehrendoktorat der University of Wisconsin verliehen und sie hielt bis zu ihrem Tod im Jahr 1988 weltweit Vorträge und Kurse.

„Ich glaube daran, dass das grösste Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das grösste Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung.“

 

Der Weg nach Europa – Bert Hellinger

Das Familienstellen wurde ursprünglich massgebend von Bert Hellinger, dem in Europa bekanntesten Familientherapeuten, verbreitet. Sein Konzept basierte dabei auf den Methoden und Erkenntnissen von Virginia Satir, sowie anderen Familientherapeuten. Hellinger veränderte diese jedoch im Laufe der Zeit, woraus die häufig als „klassisches Familienstellen“ bezeichnete Methode entstand, welche sich hauptsächlich auf die Herkunfts- sowie Gegenwartsfamilie des Klienten bezog.

Weiterentwicklungen

Das klassische Familienstellen wurde im Verlauf der Zeit von verschiedenen Familientherapeuten weiterentwickelt bzw. abgewandelt, wodurch der Überbegriff „Familienstellen/Familienaufstellungen“ heute zum Teil sehr unterschiedlich verstanden wird. Die  Weiterentwicklung der Aufstellungsarbeit ermöglicht es uns nun, nicht nur Personen, sondern auch Anliegen (z.B. Fragen wie „Ist der aktuelle Job noch der richtige für mich?“, oder „Was wollen mir wiederkehrende körperliche Beschwerden sagen?“) aufzustellen.